EkoNiva und die I.G. Pflanzenzucht – Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe

EkoNiva und die I.G. Pflanzenzucht – Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe

10.02.2021 Aktuelles aus dem Unternehmen

Interview mit Stefan Dürr, Präsident der Unternehmensgruppe EkoNiva, und Franz Beutl, Geschäftsführer der I.G. Pflanzenzucht (IGP)

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EkoNiva ist der größte Rohmilchproduzent in Russland. Was hat Sie dazu bewogen, sich nun auch dem Saatgut- und Züchtungssektor anzunehmen?

Dürr: Tatsächlich liegen die Wurzeln unseres Unternehmens im Saatgutbereich. Das war für uns sogar der Grund, in den vorgelagerten Bereich der Landwirtschaft einzusteigen – die Vermehrung auf dem eigenen Betrieb. 1996 haben wir mit dem Import von technischem Saatgut aus Deutschland und der Vermehrung begonnen. 2002 waren unsere ersten Vermehrungskulturen Braugerste, Sommerweizen und Kartoffeln. Die Saatgutvermehrung lief also schon immer nebenher und ist mittlerweile ein wichtiges Standbein – nur mit der aktiven Züchtungsarbeit haben wir erst vor etwa vier Jahren begonnen.

Wie und wann ist die Idee zur Kooperation mit der I.G. Pflanzenzucht entstanden und warum ist das Unternehmen Ihr wichtigster Partner im Saatgutbereich?

Dürr: Die Züchtung ist eine langfristige Geschichte und die Investitionen in Ausrüstung sind zu Beginn sehr hoch. Wir standen irgendwann an einem Scheideweg: entweder aufhören oder es richtig machen. Entscheidend war deshalb, in dieser Situation mit der IGP einen starken Partner an unserer Seite zu wissen. Gerade die Züchter in der IGP verfügen über jahrelange Erfahrung, umfassendes Know-How und ein breites Angebot an Kulturarten und Sorten. So haben wir unsere gemeinsame Sortenselektion und -entwicklung für den russischen Markt vor mittlerweile gut zehn Jahren begonnen.

Beutl: Auch für uns war es eine wichtige Entscheidung. Zusammen mit der EkoNiva haben wir ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen – die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen mittel-europäischen Züchtern und einer russischen Vertriebsorganisation sowie der Beginn der gemeinsamen Züchtungsarbeit – das ist bislang einmalig.

Die Grundlage dafür bildet unser Kooperationsvertrag – wir haben uns mit den Kulturarten, die wir anbieten, exklusiv an EkoNiva gebunden und umgekehrt.

Wie sieht die Kooperation zwischen EkoNiva und der I.G. Pflanzenzucht genau aus?

Beutl: Wir haben drei Formen der Kooperation. Die „einfachste“, mit der wir angefangen haben, ist junges Material von unseren Gesellschaftern dahingehend zu prüfen bzw. zu screenen, ob es an die klimatischen Bedingungen in Russland angepasst ist. Das machen wir v. a. mit Sommerungen wie Sommerweizen, Hafer, Gerste, aber auch Soja.

Die zweite Form ist das gemeinsame Züchtungsprogramm mit der Saatzucht Bauer-Gruppe, einer Gesellschafterin der IGP mit Hauptsitz in Obertraubling bei Regensburg. Wir haben hier eine richtungsweisende Züchtungskooperation mit EkoNiva, eine deutsch-russische Kooperation gibt es in dieser Form bisher nicht. Unsere Zusammenarbeit konzentriert sich auf Winterweizen mit dem Ziel, deutsche Ertragsfähigkeit mit russischer Robustheit zusammenzuführen. In der Praxis findet der Züchtungsprozess an zwei Standorten statt. Bei der Kreuzung in Deutschland berät ein EkoNiva-Züchtungsteam, in Russland wird selektiert. Die entstandenen Sorten sind dann ein Gemeinschaftsprojekt, das auf den gemeinsamen Sortenschutz abzielt.

Darüber hinaus gibt es eine weitere Kooperation beim Mais, die über die Züchtung hinausgeht. Hier wollen wir nicht nur passende Sorten für den russischen Markt finden, sondern auch gemeinsam die Saatgutproduktion und -hybridisierung professionalisieren und Saatgut von höchster Qualität erzeugen. Es geht darum, die Möglichkeiten von EkoNiva und unser Know-How zusammenzuführen. Das Projekt ist noch in der Anlaufphase, aber wir befinden uns auf einem Weg, der recht erfolgreich begonnen hat.

Welche Strategie verfolgen Sie im Vertrieb der Sorten?

Dürr: Wir nutzen keine Vertriebspartner, sondern haben in allen Vertriebsregionen eigene Filialen und meist sogar Landwirtschaftsbetriebe. Die Saatgutfilialen sind an diese angekoppelt und die Kunden sehen unmittelbar, was wir auf den Betrieben anbauen. Wir machen dort Sortenversuche und auch Demonstrations-Anbauten. Wo wir keinen Betrieb haben, nutzen wir Fremdbetriebe und haben dort eigene Verkaufsstellen – reine Verkaufsfilialen ohne eigene Landwirtschaft.

Welche Potenziale sieht die I.G. Pflanzenzucht in der Zusammenarbeit mit EkoNiva?

Beutl: Als ausländisches Unternehmen sehen wir in der Kooperation mit EkoNiva das beste Potenzial, das wir haben können, um den russischen Saatgutmarkt mit westeuropäischer Genetik zu erobern. EkoNiva ist eines der innovativsten landwirtschaftlichen Unternehmen in Russland, mit einem sehr großen Netzwerk und einem sehr guten Image. Von außen in den Markt zu kommen, ist nicht ganz einfach.

Die EkoNiva-Gruppe, die selbst Betriebe mit über einer halben Million Hektar Fläche bewirtschaftet, hat für uns schon ein großes Potenzial. Dort stoßen wir auf Offenheit für neue Entwicklungen und eine gute gemeinsame Diskussionskultur. Die Partnerschaft hilft uns, ganz gezielt in diese Richtung zu investieren, die Kooperation auszubauen und Synergieeffekte zu nutzen.

Mit welcher Genetik soll der russische Markt erobert werden und v.a. welche Teile Russlands?

Dürr: Fakt ist, die Witterungsverhältnisse ändern sich in den letzten Jahren auch in Russland merklich. In der südlichen Schwarzerderegion ist es deutlich trockener, während wir in der Wolgaregion – früher ein Trockengebiet – deutlich mehr Niederschläge haben. Früher haben wir im Gebiet Nowosibirsk nie Mais angebaut, mittlerweile haben wir dort unseren schönsten Mais. Die Karten werden neu gemischt und man muss auf den Klimawandel eingehen. Darum brauchen wir sehr flexible Sorten. Und zusammen mit der IGP haben wir aufgrund ihres sehr breiten Portfolios an Kulturarten und Sorten diese Möglichkeit.

Beutl: Die Selektion von Winterweizen findet beispielsweise in der „Schokoladenregion“ Russlands, dem Schwarzerdegebiet, statt. Für andere Kulturen ist das Anbaugebiet regional natürlich viel breiter. Sojabohnen kann man z. B. bis Wladiwostok anbauen. Hier geht es um die Anpassung der Reife an die klimatischen Anforderungen – genau wie beim Mais.

Nadelöhr ist die russische Wertprüfung, die durch die zahlreichen Prüfstandorte sehr kostenintensiv ist. Darum haben wir, sozusagen als Testballon, eine erste Maissorte erfolgreich zugelassen und zugleich die Chance genutzt, die Saatgutproduktion gemeinsam zu entwickeln. Sieben weitere Maissorten stehen aktuell vor der Zulassung.

Welche Kulturarten werden in Russland vorwiegend angebaut und welche Marktpotenziale liegen im Saatgutmarkt?

Dürr: Was unsere Kooperation betrifft, ist es in jedem Fall der Winterweizen – auch, weil es in Russland traditionell die wichtigste Kultur ist. Hier zeichnen sich die Sorten aus unserer gemeinsamen Züchtung durch russische Winterhärte, gepaart mit westeuropäischer Ertragskraft und Krankheitsresistenz aus.

Beutl: Unsere erste Winterweizen-Sorte „STRG 8060‘15“ wurde 2020 in Russland zugelassen. Diese haben wir zwar noch nicht gemeinsam gezüchtet, aber gemeinsam selektiert. Unsere Winterweizen-Kooperation ist einmalig in der Branche. Hier bemerken wir, dass sich die großen Wettbewerber teilweise aus dem russischen Markt zurückziehen, weil sie es nicht schaffen, passende Sorten zu züchten und durch die russische Wertprüfung zu bekommen. Damit zeigt sich erneut die Stärke unserer Kooperation.

Dürr: Stark im Kommen ist derzeit auch der Hafer, vor allem mit dem zunehmenden Fokus auf gesunde Ernährung. Auch der Erbsenmarkt, der im Westen fast völlig verschwunden ist, entwickelt sich immer noch gut. Und eine Kultur, die in Zukunft immer bedeutender wird, ist Soja – die hier einen wirklichen Boom erlebt. Gentechnik ist auch in Russland verboten. Die Zusammenarbeit mit Züchtern wie die der I.G. Pflanzenzucht, die GMO-freie Sojabohnensorten züchten, ist sehr zukunftsweisend für den russischen Markt.

Beutl: Insgesamt hat die IGP 13 Gesellschafter mit breiten Zuchtprogrammen. Darum können wir nahezu alle Getreidearten für den russischen Markt anbieten. Gerade bei den Sommerungen sind wir sehr stark. Die I.G. Züchter verfügen über eigene Hafer-, Weizen-, Gersten-, Erbsen-, Lupinen- und Sojaprogramme. In dem besonders frühen Reifesegment der Sojabohne ist die IGP derzeit in Deutschland Marktführer. Auch wir sehen dort großes Potenzial in Russland. EkoNiva und IGP haben bereits erste Schritte unternommen und mit der russischen Sortenzulassung von „GL Melanie“ eine erste Sojasorte an den Start gebracht. Diese Vielfalt macht uns aus, vor allem bei diesem großen Markt, der ja mittlerweile für uns mit EkoNiva bis nach Kasachstan reicht. Die europaweit bekannte I.G. Hafersorte „Max“ wird beispielsweise auch nach Kasachstan verkauft.

Insgesamt sind für uns alle Kulturen in Russland größer als in Deutschland – der russische Markt umfasst schon allein im Getreideanbau über 42 Millionen Hektar. Der Maisanbau umfasst in etwa drei Millionen Hektar. Daher bietet auch der Hybridmais ein großes Potenzial, um den Saatgutwechsel am russischen Markt zu steigern.

Die I.G. Gesellschafter selektieren ihre Sorten vornehmlich unter den Bedingungen Zentral- und Nordeuropas. Wie sind die Züchtungsprogramme anzupassen, damit die I.G. Genetik auch nach Russland passt? Gibt es unterschiedliche Strategien für die verschiedenen Kulturarten?

Beutl: Anpassungsfähigere Sorten, vor allem Sommergetreide und Körnerleguminosen, screenen wir in Russland vor Ort – mit großem Erfolg. Das können wir gut an Sortenzulassungen und den daraus resultierenden Umsätzen messen, die hauptsächlich aus den genannten Kulturen generiert werden. Beim Weizen können wir in Mitteleuropa nicht für die russischen Verhältnisse selektieren. Das muss in Russland vor Ort geschehen, um die Winterhärte, Krankheitsresistenzen und die Ertragsfähigkeit unter den klimatischen Bedingungen Russlands zu prüfen. In der Maiszüchtung spielt die Reifegruppe eine entscheidende Rolle, um den russischen Standortanforderungen gerecht zu werden. Ein wichtiger Punkt für die Züchtung und auch die Saatgutproduktion beim Mais ist: Funktioniert die Hybridisierung? Die Saatgutproduktion in Mitteleuropa läuft nach anderen Maßstäben als in Russland ab, bedingt durch andere Temperaturen und Tageslichtverhältnisse. Die Synchronisation der Blütezeiten von Mutter- und Vater-Linie ist dabei eine Herausforderung.

Wir müssen uns nicht nur züchterisch adaptieren, sondern auch in der Saatgutproduktion. Hier liegt das große Potential darin, dass wir künftig hohe Saatwarenerträge sowie eine hohe Qualität in der russischen Saatmaisproduktion erzielen können.

Welche Ziele sollen durch die Kooperation erreicht werden?

Beutl: Langfristige Ziele sind ein eigenes leistungsstarkes Portfolio an in Russland zugelassenen Sorten, die weitere Professionalisierung der Saatgutproduktion und eine Erhöhung der Saatgutqualität. Wir wollen mehr eigene Sorten auf den Markt bringen und den Vertrieb gemeinsam ausweiten. Das erreichen wir durch unsere Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Dürr: Mit der Expertise der IGP und EkoNiva im Saatguthandel, unserer flächendeckenden Vertriebskraft sowie den gemeinsamen, leistungsstarken Sorten können wir zum führenden Saatguthersteller und Züchter am russischen Markt werden.